Ds Härz lääre


Ds Härz lääre
(Lied)


I singe das Lied

I singes für mi

U i singes ou chli für di

 

I nime ds Läbe

Immer wieder z schwär

U mache mis Härz itz läär

 

   Alles, was ich bis heute geschrieben und getan habe, zeugt letztlich von meiner Suche nach dem Schlüssel zum glücklichen Leben. Aber mir scheint je länger je mehr, dass es dazu vieler Schlüssel bedarf und dass sie alle gleichzeitig ins Schloss gesteckt und miteinander gedreht werden müssen. Eine ziemlich unübersichtliche und anspruchsvolle Sache.

   Die Wanderung durch Zeit und Raum. Alleine für immer. Ein Fremder auf Erden. Wo liegt die Heimat? Kinder… und die Wanderung geht weiter und weiter und weiter ohne Rast und Ruhe. Nur zwischendurch ein kurz Verweilen und immer gebunden an Raum und Zeit. Freiheit die ich meine: Zeit und Raum sind Vergangenheit oder verschmolzen zu dem einen. Und die Wanderung geht weiter.

   Die Welt zerfällt. Eine unendlich lange Zeit ist sie fest dagestanden, jetzt ist sie gefallen, die Mauer zerbröckelt. Nicht durch Stürme: Kein Unwetter da draussen konnte ihr etwas anhaben. Sie ist gefallen durch ihre eigene Kraft. Von innen heraus verfault, vermodert. Nicht durch Schwäche, nein: Durch die Kraft des Alters, durch die Kraft der Krankheit, durch die Kraft der Vergänglichkeit.

   Krankheit sei Schwäche? Schwäche ist Kraft! Bekämpfen unmöglich.

   Verstehst du nicht? Wenn du in den Kampf ziehst, hast du verloren, schon jetzt. Verteidigung existiert nicht. Sie ist Einbildung, ist eine Gedankenkonstruktion der Torheit. Es gibt keine Verteidigung. Verteidigung ist Angriff. Angriff ist dein Tod. Mit dem Gedanken schon tust du den Angriff und bist tot.

   Die Welt zerfällt. Wie ein in langer, konzentrierter Arbeit erstelltes Puzzle einer fröhlich spielenden Kinderhand nur bedarf, und das grossartige Bild fällt in seine Bestandteile auseinander. Dem Kinde gefällts: Tausend kleine Teilchen sind viel lustiger als ein riesengrosses!

   Das Kind wird älter, und eines Tages wird es die tausend kleinen Teilchen zu einem schönen, grossen Bilde zusammensetzen. Vielleicht werden es bis dahin nicht mehr tausend sein. Vielleicht noch neunhundertneunundneunzig. Oder nur noch neunhundertfünfzig. Es wird erst bemerken, dass einiges fehlt, wenn das Bild beinahe fertig ist.

   Vielleicht wird es zornig werden und das Bild vernichten. Zum zweiten Mal: Einmal im Spiel und einmal im Zorn.

   Und wieder wird die Welt zerfallen sein. Teilchen um Teilchen wird verloren gehen.

   Die Welt entsteht und zerfällt. Teil um Teil entschwindet auf ewig. Ist kein einzig Teilchen mehr vorhanden, dann wird sie geboren worden sein.

    Wie Glas wird sie sein, die neue Welt, die nicht wieder zerfällt, weil sie nicht aus Teilen besteht. Ungeboren existent: Nicht unsichtbar aber durchsichtig wie Glas, ohne die Bestandteile des Glases.

   Sichtbar in ihrer Durchsichtigkeit. Hörbar in ihrer Stille. Tastbar in ihrer Körperlosigkeit. Riechbar in ihrer Geruchlosigkeit. Schmeckbar in ihrer Geschmacklosigkeit. Denkbar in ihrer Undenkbarkeit.

   Formlos frei. Ewig zeitlos. Phänomenal selbstlos: Die neue Welt.

 

   „Es gibt eine Welt des Glücks, wo kein Unterschied zwischen den Dingen besteht, weil niemand da ist, um nach dem Unterschied zu fragen. Dies aber ist nicht die Welt der Menschen. Manche Menschen haben die Eitelkeit zu glauben, sie lebten in zwei Welten, aber das ist nur ihre Eitelkeit. Es gibt nur eine einzige Welt für uns. Wir sind Menschen und müssen mit der Welt der Menschen auskommen.“

   „Ein Krieger weiss, dass er nur ein Mensch ist. Er bedauert lediglich, dass sein Leben so kurz ist und dass er nicht all die Dinge festhalten kann, wie er möchte. Dies  aber ist kein Problem für ihn; es ist nur schade.“

   „Alles ist nur einer von Millionen von Wegen. Darum muss ein Krieger immer bedenken, dass ein Weg nur ein Weg ist; wenn er spürt, dass er ihn nicht beschreiten sollte, darf er ihm unter keinen Umständen folgen. Seine Entscheidung, diesen Weg weiterzugehen oder  ihn zu verlassen, muss frei sein von Furcht und Ehrgeiz. Er soll sich jeden Weg genau und aufmerksam ansehen. Dann kommt die Frage, die ein Krieger sich unbedingt stellen muss: Ist dies ein Weg mit Herz? Alle Wege sind gleich: sie führen nirgendwo hin. Doch ein Weg ohne Herz ist nie erfreulich. Ein Weg mit Herz dagegen ist leicht – der Krieger braucht sich nicht anzustrengen, ihn zu lieben; solch ein Weg gewährt eine fröhliche Reise. Solange der Mensch ihm folgt, ist er eins mit ihm.“

   „Ein Krieger wählt einen Weg mit Herz, jeden beliebigen Weg mit Herz, und folgt ihm; und dann frohlockt er und lacht. Er weiss, weil er sieht, dass sein Leben schon allzu bald vorbei sein wird. Er sieht, dass nichts wichtiger ist als alles andere.“

   „Weil nichts wichtiger ist als alles andere, wählt der Krieger irgendeine Tat und tut sie, als sei sie bedeutsam für ihn. Seine kontrollierte Torheit lässt ihn sagen, dass das, was er tut, bedeutsam ist, und lässt ihn handeln, als wäre es so, und doch weiss er, dass es nicht so ist; wenn er also seine Taten vollbringt, zieht er sich in Frieden zurück, und ob seine Taten gut oder schlecht waren, ob sie gelangen oder nicht, kümmert ihn nicht im mindesten.“

   „Wenn nichts sicher ist, bleiben wir wachsam, stets auf der Hut. Es ist spannender, nicht zu wissen, hinter welchem Busch sich der Hase versteckt, als so zu tun, als wüssten wir alles.“

   „Nur als Krieger kann man den Weg des Wissens ertragen. Ein Krieger darf nichts bereuen und nichts beklagen. Sein Leben ist eine endlose Herausforderung, und Herausforderungen sind niemals gut oder schlecht. Herausforderungen sind einfach Herausforderungen. Der grundlegende Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Menschen und einem Krieger ist, dass ein Krieger alles als Herausforderung annimmt, während ein gewöhnlicher Mensch alles als Segen oder Fluch hinnimmt.“

   (Nagual)