Der Buddha und Nicht-Ich

 

Lebensspiel


   „Man sollte sich nicht darum kümmern, Foto- oder Tonbandaufnahmen festzuhalten. Dies sind überflüssige Dinge des sesshaften Lebens. Man sollte sich um den Geist kümmern, der immer flüchtig ist.“

   „Solange der Mensch glaubt, er sei das Wichtigste auf der Welt, kann er die Welt, die ihn umgibt, nicht wirklich würdigen. Er ist wie ein Pferd mit Scheuklappen; er sieht nur sich selbst, getrennt von allem anderen.“

   „Ein Mensch, jeder Mensch, verdient all das, was des Menschen Schicksal ist, Freude, Traurigkeit und Mühe. Welcher Art seine Taten sind, ist unwichtig, solange er sie als Krieger tut. Ist sein Geist aus dem Lot, sollte er ihn einfach reparieren – ihn läutern, ihn vervollkommnen –, weil es im Leben keine Aufgabe gibt, die lohnender wäre. Nicht den Geist zu reparieren heisst den Tod suchen, und das ist dasselbe wie nichts zu suchen, denn der Tod wird uns ohnehin einholen, egal wie und wann. Die Vervollkommnung des Krieger-Geistes zu suchen ist die einzige Aufgabe, würdig unserer Vergänglichkeit, unseres Menschseins.“

   „Das Schwerste auf der Welt ist es, sich in die Stimmung eines Kriegers zu versetzen. Es hat keinen Sinn, traurig zu sein und zu klagen – und sich dazu berechtigt zu fühlen im Glauben, dass immer irgendjemand uns irgendetwas angetan hat. Niemand tut jemandem etwas an, am wenigsten einem Krieger.“

   „Ein Krieger ist ein Jäger. Er kalkuliert alles. Das ist seine Kontrolle. Sobald er seine Kalkulation abgeschlossen hat, handelt er. Er lässt los. Das ist seine Hingabe. Ein Krieger ist kein Blatt im Wind. Niemand kann ihn herumstossen; niemand kann ihn zwingen, etwas gegen seinen Willen oder gegen seine bessere Einsicht zu tun. Ein Krieger ist auf Überleben ein-gestellt, und er überlebt auf die bestmögliche Art.“

   „Ein Krieger ist nur ein Mensch, ein demütiger Mensch. Er kann die Pläne seines Todes nicht ändern. Aber sein makelloser Geist, der nach ungeheuren Mühen Kraft aufgespeichert hat, kann gewiss den Tod einen Moment aufhalten, lange genug, um ein letztes Mal frohlockend seiner Kraft zu gedenken. Man könnte sagen, dies ist eine Geste des Todes gegenüber denen, die einen makellosen Geist haben.“

   „Es ist die Kunst des Kriegers, den Schrecken, ein Mensch zu sein, und das Wunder, ein Mensch zu sein, im Gleichgewicht zu halten.“

   (Nagual)

 

   „Bist du befreit nach allen Seiten hin, befreit vor allem von dem Wahn ‚Ich bin‘, so konntest endlich du die Flut durchqueren und brauchst nicht mehr zur Welt zurückzukehren.“

   „Schwer ist die Nicht-Ich-Lehre zu verstehen; die Wahrheit wird ja niemals gern gesehen. Nur wer sie kennt, der wird vom Drang befreit und er durchschaut der Dinge Nichtigkeit.“

   (Buddha)

   „Jedem Lebewesen wird, wenn es dies wünscht, die Kraft gewährt, einen Durchlass zur Freiheit zu suchen und dort hindurchzugehen. Krieger haben nur eines im Sinn: ihre Freiheit.“

   „Beim rationalen Menschen gewährleistet das Festhalten an seinem Selbstbild seine abgrundtiefe Unwissenheit. Er ignoriert die Tatsache, dass Schamanismus nichts mit Beschwörungsformeln und Hokuspokus zu tun hat, sondern die Freiheit bietet, nicht nur die als selbstverständlich hingenommene Welt wahrzunehmen, sondern auch alles andere, menschenmöglich Erreichbare. Er zittert vor der Möglichkeit der Freiheit. Und die Freiheit ist zum Greifen nah.“

   (Nagual)


   Ein kurzer Exkurs zum Abhidhamma im Kontext zu unserem Thema. Ich zitiere aus Mirko Frýba: "Anleitung zum Glücklichsein - Die Psychologie des Abhidhamma":

   "Auf die Paradigmen des Abhidhamma nimmt eine wachsende Zahl der transpersonalen Psychologen bezug. Wörtlich heisst Abhidhamma 'die Hohe Lehre'. Abhidhamma ist eine ethisch-psychologische Lehre, die den verschiedenen Techniken buddhistischer Geistesschulung, Psychohygiene, Psychotherapie und Meditation zugrunde liegt. Die Paradigmen des Abhidhamma haben eine transkulturelle Gültigkeit und kommen dher auch in nicht-buddhistischen Systemen des Wissens vor. 

   Abhidhamma beeinflusste entscheidend die Lehre der islamischen Sufi-Meister, deren Überlieferungen viele der zweieinhalbtausend Jahre alten Anekdoten und Anweisungen der Abhidhammikas wörtlich wiedergeben. (...) Wenn man bedenkt, dass das Sufitum in eben den geographischen Gebieten entstanden ist, die vorher vom Buddhismus beherrscht waren, sind die Gemeinsamkeiten leicht verständlich. Es ist auch klar, wieso Abhidhamma in den Yogalehren enthalten ist, denn als Yoga gilt, was die islamische Eroberung Indiens im elften Jahrhundert überlebte. 

   Nicht so leicht verständlich ist hingegen der fast sensationell anmutende Bericht des Ethnologen Frank Waters, der als bester Kenner der Kulturen amerikanischer Indianer und insbesondere der Hopis gilt. Er zeigt, dass einige Paradigmen des Hopi-Wissens, des chinesischen I Ging und des tibetischen Abhidharma identisch sind. Diese Fakten machen dann allerdings auch wiederum die Feststellung plausibel, dass auch Carlos Castaneda in seinen Werken Abhidhamma vermittelt.

   Abhidhamma befasst sich nur indirekt mit Inhalten des Denkens und mit kulturellem Gedankengut. Sein Gegenstand sind vielmehr Erlebensweisen und psychologische Gesetzmässigkeiten. Daher kann man Abhidhamma ebensowenig für spezifisch asiatisch oder buddhistisch halten, wie man z.B. die Relativitätstheorie der Physik oder die Psychoanalyse für jüdisch halten kann, obwohl ihre Urheber Juden waren."

   Soweit Mirko Frýba. Aus meinem persönlichen Erleben kann ich die nahe Verwandtschaft der Lehren des Nagual Don Juan mit den Lehren des Buddha Siddhattha Gotama nur bestätigen.