Em Läbe vertroue
Em Läbe vertroue
Em Läbe vergäh
D Wunde wos hett ghoue
D Schmärze wos hett gäh
Em Läbe vertroue
Heisst em Läbe vergäh
D Wunde wos hett ghoue
D Schmärze wos hett gäh
Es hett schöni Site u s git wüeschti Zyte
S git Schuld u Not u nes Aberot
S git Geburt u Tod u nes Morgerot
Los u lue uf d Seelerueh
Em Läbe vertroue
Em Läbe vergäh
D Wunde wos hett ghoue
D Schmärze wos hett gäh
Em Läbe vertroue
Heisst em Läbe vergäh
Dem Leben zu vertrauen, das bedeutet auch dem Leiden und dem Tod zu vertrauen. Wenn Leiden und Tod Angst machen, dann macht das Leben Angst, denn Leben heisst nicht nur ‚sex, sun and fun‘, sondern ganz existenziell auch Schmerz, Leiden, Verlust, Tod. Keiner vertraut dem Leben, der dem Sterben nicht vertrauen kann. Keiner vertraut dem Leben, der dem Leid misstraut. Dem Leben vertrauen bedeutet, dem Leben in seiner umfassenden Ganzheit, Licht und Finsternis, Freude und Leid, Geborenwerden und Sterben zu vertrauen, nicht bloss der einen Hälfte.
Der sogenannte Optimist und der positive
Denker vertrauen dem Leben nicht mehr, als der sogenannte Pessimist und der
negative Denker. Das Leben ist positiv und negativ zugleich und berechtigt so
gesehen zu Optimismus und zu Pessimismus gleichermassen. Der Optimist sieht
seinen Lebensweg im Licht des Lebens, der Pessimist sieht ihn in der Dunkelheit
des Todes.
Ewigkinder praktizieren den mittleren Weg:
die Überwindung solcher scheinbarer Gegensätze, das Erkennen der gegenseitigen
Ergänzung in den Polen der Dualitäten. Die als Leben und Tod, als
Geborenwerden und Sterben, als Freude und Leid aufscheinende Existenz
berechtigt zu Optimismus und positivem Denken nicht mehr und nicht weniger als
zu Pessimismus und negativem Denken. Deshalb besteht die Befreiung nicht in
der Gewinnung des einen Pols zulasten des anderen, was gar nicht möglich ist,
sondern in der Transzendenz beider Pole, das heisst im Übersteigen sowohl
negativer als auch positiver Vorstellungen bezüglich des Lebens. Dem Leben
vertrauen heisst, das Leben in seiner Ganzheit annehmen wie es ist.
Verwundungen und Schmerzen sind unvermeidlich.
Wo Leben ist, da wird Leben verwundet, und wo Leben verwundet wird, da wird Schmerz erlebt. Wenn du es nicht
vermagst, dem Leben die Wunden, die es dir geschlagen und die Schmerzen, die es
dir zugefügt hat, zu vergeben, dann kannst du niemals Vertrauen finden dem
Leben und Sterben gegenüber. Die Vergebung zu finden fällt dir umso leichter,
als du die Lebenswirklichkeit klar erkennst.
Letztlich wird Vergebung sogar unnötig, weil
Vergebung nur dort notwendig und sinnvoll ist, wo zuvor eine Anklage, eine
Schuldzuweisung stattgefunden hat. Wenn du die Wirklichkeit des Seins, die
Daseinsgesetze ‚Vergänglichkeit‘, ‚Leidunterworfenheit‘ und ‚Selbstlosigkeit‘
in aller Tiefe und Klarheit erlebnismässig erkannt hast, dann wird dein Herz,
dein Geist, vollkommen frei sein von irgendeiner Anklage und Schuldzuweisung.
Wenn die Wirklichkeit als Wirklichkeit erkannt und akzeptiert ist, dann gibt es
nichts zu vergeben, weil nichts mehr schuldig gesprochen wird.
Viel Schönes gibt es zu erleben, und was als
Schönes erlebt wird, das ist so individuell wie es die erlebenden Menschen sind.
Nur du selber weisst, was für dich die schönen Seiten des Lebens sind. Geniesse
alles Schöne, dass du in den wenigen Jahren deiner Existenz erleben kannst.
Geniesse es, was an Schönem auf dich zukommt, aber halte es nicht fest und jage
ihm nicht nach. Wenn es kommt, lass es kommen, wenn es ist, lass es sein, wenn
es vergeht, lass es gehen.
Es
gibt auch hässliche Zeiten. Das ist die andere Seite des Seins. Es ist
die Seite, die du gerne verdrängst, die du lieber nicht erleben möchtest, von
der du meinst, sie gehöre nicht zum Leben, habe nicht zum Leben zu gehören.
Aber das Leben richtet sich nicht nach deinen Vorstellungen darüber, wie es
sein sollte und wie nicht. Es ist wie es ist. Schön und hässlich.
Schuldgefühle
sind Selbstanklagen, Not ist das Nichteinverstandensein mit der Wirklichkeit
wie sie ist. In der Selbstanklage nimmst du dich zu wichtig, ebenso im
Nichteinverstandensein mit der Wahrheit. Die Wahrheit ist nichts anderes als
die Wirklichkeit wie sie ist. Was wirklich ist, das ist auch wahr, eben weil es
wirklich ist. Was nicht wirklich ist, das ist auch nicht wahr, eben weil es
nicht wirklich ist. Wenn du dich schuldig fühlst für irgendetwas, dann machst
du dich selber, ein für real gehaltenes ‚Ich‘, zum Herrn und Besitzer über
dieses Etwas, zum Täter einer geschehenen Tat, während in Wirklichkeit die Tat
in einem vielfältigen Bedingungszusammenhang wurzelt und von diesem
ausgegangen ist, nicht von einem für wirklich gehaltenen unabhängigen ‚Ich‘.
Der menschliche Wille ist nur bedingt frei,
niemals unbedingt. Einen unbedingten freien Willen gibt es nicht. Du kannst
Entscheidungen treffen im Rahmen der Voraussetzungen, die du mitbringst, mehr
nicht. Es gibt viele Dinge, über die hast du keine Macht, die sind deinem
Willen nicht zugänglich. Du kannst eine Tat, die durch dich geschehen ist,
bereuen, und echte Reue heisst: Du tust es nicht wieder. Wenn du es wieder
tust, dann war die Reue nicht tief genug. Klage nicht dich oder andere als
Täter an, aber lerne die verschiedenen Taten kennen wie sie sind. Es gibt
Schuld und Not und das Blut des Abendrots, das in Dunkelheit und Finsternis übergeht.
Es gibt Wege entlang von Abgründen, und man kann auch in Abgründe
hinunterfallen.
Jede Dunkelheit weicht einem neuen Morgen,
einem Morgen, der das Blut des Abendrots bereits in sich trägt und als
Morgenrot verkündet (und umgekehrt): das ‚Rad der Zeit‘.
Lied:
Ds Rad vor Zyt
Das klar erkannte
Erleben der Daseinswirklichkeit ist es, das befreit und erlöst. Es befreit und
erlöst von Illusionen, von Verblendung bezüglich des Seins, es befreit und
erlöst dadurch von der Gier nach dem Sein und vom Hass auf das Sein.
Sind die Illusionen, ist die Ignoranz
bezüglich der Wirklichkeit erloschen, dann entsteht auch kein Begehren mehr
nach irgendeinem Erleben, sei es profan weltlich oder überirdisch spirituell.
Dann findet dein Leben nicht mehr in Erwartungen und Hoffnungen auf ein
besseres Morgen oder auf ein besseres Leben nach dem Tod statt.
Du erkennst alles Leben als spirituell, das
Spirituelle ist nicht mehr getrennt vom Alltäglichen. Deine Seele hat zur Ruhe
gefunden, ist gestillt in der Wahrheit, in der Wirklichkeit wie sie ist. Du
hast den Frieden der Seele, hast die Freiheit des Geistes gefunden.
Wandle im Frieden. Du bist frei.