Zur Einführung

   
   Geneigter Leser, da ich es sprachlich schlicht und einfach unschön finde, wie heutzutage bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit sowohl die männliche wie auch die weibliche Anredeform (auf unterschiedliche Weise) mitgeschrieben wird, hoffe ich dass du akzeptieren kannst, dass ich mich grundsätzlich der männlichen Anredeform bediene. Ich denke nicht, dass es so schwer ist oder eine unüberwindliche Zumutung darstellen muss, dich als weibliches Menschenwesen ebenfalls angesprochen zu wissen. Danke für dein Verständnis.

   Mit dem vorliegenden Büchlein erfülle ich mir selber ein Anliegen, dass mich seit vielen Jahren begleitet: Das Anliegen, drei der mir wichtigsten Lebenslehrer – den Nagual Don Juan Matus, den Buddha Siddhattha Gotama, und den Christus Jesus von Nazareth – in ihren je eigenen Worten miteinander und mit Uodals Worten und seinem Verständnis des Lebens in Einklang zu bringen. 

   Der Sprechende in der vorliegenden Erzählung ist Uodal. Du wirst ihn in der Folge ein wenig kennen lernen, wie auch den Nagual, den Buddha, und den Christus.

   Alle Äusserungen in „Anführungszeichen“ sind überlieferte Worte des Nagual (Carlos Castaneda), des Buddha (Palikanon), des Christus (Bibel NT, Übers. Jörg Zink), sowie einiger weniger weiterer Lehrer. Für den übrigen Text zeichnet Uodal verantwortlich.

   So lass uns also nun dem Wort Uodals lauschen, dass er zum Du spricht, als welches ein jedes Du ist, das ihn hört, ihm zuhört. In diesem Sinne sind das Du, das du ihm bist und das Du, das ich, der Schreibende, ihm bin, ungetrennt und unvermischt eins. Er ist das Ich, wir sind sein Du. Sein Du das sind wir alle, sein Du ist das Wir.

   Uodal


Lichtpfad


Lichtpfad

   
   Mit denen ich Mitgefühl empfinde und die glauben zuhören zu sollen, zu denen spreche ich. Mitgefühl, behaupte ich, empfinde ich mit jeglichem fühlenden Wesen, so, wenn auch unbekannter Weise, auch mit dir.

   Ob du mich als mitfühlend erlebst oder aber als hartherzig, darüber entscheide nicht ich, und darüber habe ich auch keine Macht. Du wirst es erleben, dieses oder jenes, und mich deinem Erleben entsprechend einordnen in dein Weltbild, in dein Leben.

   Ich werde also in deiner Welt einen Platz zugewiesen bekommen. Möge dieser Platz in deinem Himmel oder in deiner Hölle oder irgendwo dazwischen liegen, ich werde mich ihm als würdig erweisen. Des kannst du sicher sein, denn nicht ich, du selber bist es, der mich als dieses oder jenes Ortes würdig deklariert.

   Aber wisse, dass du mit mir zusammen an jenem Ort weilen wirst, sobald du auch nur an mich denkst. Und wenn du meinen Schritt auf abgründige Wege lenkst, wirst du diese Wege an meiner Seite mitgehen. Ein Erstes sage ich dir an dieser Stelle: Dunkel sind des Abgrunds Wege; und einen ersten Rat höre von mir: Musst du sie gehen, gehe rege


Schwarzi Nacht
(Lied)

                    
   Wie ist das mit deiner Abhängigkeit, mit deiner Sucht? Doch, doch, du weisst ganz genau, wovon ich spreche, du kannst uns dein Versteckspiel ersparen, es ist sinnlos, und ich habe keine Lust, dir all deine Begehrlichkeiten und Anhaftungen vorzubuchstabieren. Abgesehen davon vermöchte ich es auch gar nicht, da ich dich entweder gar nicht, oder im Falle des soeben in die Tasten hauenden Schreiberlings, nur oberflächlich kenne. Schliesslich weiss keiner, was im Geist des Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist.

   So oder so, eines muss ich dir dringend geradezu einhämmern: Sollte dich dein Lebensweg zurzeit ganz konkret entlang von tiefen Abgründen führen, dann schau nicht hinab und bleib nicht stehen, willst du den Morgen wieder sehen!

   Und wenn in deinen rastlosen Tagen und schlaflosen Nächten aus den Abgründen entlang des Weges dunkle Schemen und geisterhafte Gestalten in deinem Geist auftauchen, schreckliche, dich ängstigende, oder aber auch schöne, verheissungsvolle, dich lockende und verführende, dann lass die Schatten kommen und gehen, beachte sie nicht und lass sie verwehen.

   Was ist eigentlich die wahre Natur dieser Gestalten? Sind es von dir unabhängig existierende Wesenheiten, die deinen Geist befallen und dich zu abgründigen Worten und Taten verleiten wollen? Es mag sein, dass du sie auf diese Weise wahrnimmst: Unter Drogeneinfluss beispielsweise, oder während dein Geist einen pathologischen, psychotischen oder paranoiden Zustand erlebt. Oder aber wohl auch in gewissen spirituellen, übersinnlichen Geisteszuständen, die es geben mag.

   Aber ganz egal, ob du sie auf eine solche Weise manifestiert oder schlicht und einfach als deine Gedanken erlebst, ob sie dir himmlische Genüsse versprechen oder höllische Visionen vorgaukeln: Wenn es dir nicht möglich sein sollte sie durch blosse Nichtbeachtung verwehen zu lassen, dann prüfe sorgfältig und gut, ob ihre Verlockungen und Drohungen, solltest du auf sie hören und ihre Anweisungen befolgen, dich tatsächlich von deinem Leid zu befreien vermögen, oder ob sie nicht viel eher dich tiefer in leidhafte Erfahrungen treiben werden. 

   Letzteres ist dann der Fall, wenn sie deine Begierden und deine Wut gutheissen oder rechtfertigen und sie weiter anstacheln. Gier und Hass aber sind gefährliche und unersättliche Geisteszustände, und willst du mit ihnen tändeln und lachen, werden sie sich vertausendfachen.

   Letztlich sind sie nicht auf ihre Objekte, sondern stets auf sich selber aus: Begierde will begehren, Hass will hassen. Sie sind weder taugliche Ratgeber noch wohlgesinnte Gefährten im Lebensspiel, denn sie werden dir schmeicheln und werden dich locken, sie werden lustvoll im Wahn frohlocken, sie werden dich binden, sie werden dich knebeln, sie werden dich in den Abgrund hebeln.

   Aber dort unten, am Grund des Abgrunds, ist nur dieses eine zu finden: die Dunkle Nacht. Wohl gibt es auch aus ihr noch eine Möglichkeit des Entkommens, aber schön ist der Ort nicht. Deshalb, wenn du es vermagst, dann beherzige meinen Hinweis und Rat:

   Dunkel sind des Abgrunds Wege, musst du sie gehen gehe rege, schau nicht hinab und bleib nicht stehen, willst du den Morgen wieder sehen!

   Gehe den Weg vom Dunkel ins Licht, gehe den Lichtpfad, den sich in der Freiheit vereinigenden dreifachen Pfad des Nagual, welcher ist der Pfad des Selbst, des Buddha, welcher ist der Pfad des Nicht-Selbst, und des Christus, welcher ist der Pfad des Du.

   Der Nagual, als Schamane, spricht vom Krieger, vom Zauberer und vom Wissenden, wenn er vom Adepten spricht, der Buddha spricht vom Edlen, der Christus vom Kind Gottes.

   Ich selber spreche in der poetischen Sprache des Dichters vom Ewigkind.


Der Nagual und Ich

 

Elemente


Der Krieger

    „Der Trumpf des Kriegers ist, dass er glaubt, ohne zu glauben. Aber natürlich kann ein Krieger nicht einfach sagen, er glaubt, und es damit bewenden lassen. Das wäre allzu leicht. Einfach glauben, ohne sich anzustrengen, würde ihn von der Pflicht entbinden, seine Situation zu überprüfen. Immer wenn sich ein Krieger aufs Glauben einlassen muss, tut er es aus freier Wahl. Ein Krieger glaubt nicht, ein Krieger muss glauben.“

   „Der Tod ist ein unentbehrlicher Bestandteil des Glaubenmüssens. Ohne das Bewusstsein vom Tode ist alles gewöhnlich, banal. Nur deshalb, weil der Tod uns umschleicht, ist die Welt ein unergründliches Mysterium. Auf diese Weise glauben zu müssen ist Ausdruck der innersten freien Wahl eines Kriegers.“

   „Das Selbstvertrauen des Kriegers ist nicht das Selbstvertrauen des gewöhnlichen Menschen. Der gewöhnliche Mensch sucht Sicherheit in den Augen des Betrachters und nennt es Selbstvertrauen. Der Krieger sucht Makellosigkeit in seinen eigenen Augen und nennt es Demut. Der gewöhnliche Mensch ist an seine Mitmenschen gebunden, während der Krieger nur an das Unendliche gebunden ist.“

   „Die Demut eines Kriegers ist nicht die Demut eines Bettlers. Der Krieger beugt den Kopf vor niemandem, doch gleichzeitig erlaubt er niemandem, den Kopf vor ihm zu beugen. Der Bettler dagegen fällt bei jeder Gelegenheit auf die Knie und kriecht vor jedem, den er höher gestellt glaubt, im Staub. Gleichzeitig verlangt er aber, dass ein Geringerer vor ihm im Staub kriecht.“

   „Nicht verfügbar zu sein bedeutet für den Krieger, dass er die Welt, die ihn umgibt, nur behutsam berührt. Vor allem vermeidet er achtsam, sich oder andere zu erschöpfen. Er benutzt Menschen nicht und presst sie nicht aus, bis sie zum Nichts schrumpfen, besonders nicht Menschen, die er liebt.“

   (Nagual)


Schamanenweihe?

   Adrian ist mit von der Partie und auch Hanspeter und Bruno (bei ihm bin ich mir nicht sicher, ob ich seinen Namen richtig erinnere). Wir werfen alle vier einen LSD-Trip. Bruno kommt in meinem weiteren Erleben nicht vor.

   Das erste was geschieht ist, dass Hanspeter sich als vor ein Gericht gestellt erlebt. Adrian sitzt am Boden, ich auf dem Sofa. Hanspeter steht zwischen uns und erlebt Adrian als den ihn dem Richter – mir – zuführenden Ankläger. Er sieht hinter uns den Galgen stehen, an welchem er aufgehängt werden soll. Hanspeter legt nun ein langes und umfassendes Geständnis, eine richtiggehende Beichte seiner Sünden und Verfehlungen, ab und kommt selber zum Ergebnis, dass seine Verurteilung vollkommen gerechtfertigt ist. Er weint und wir versuchen ihn davon zu überzeugen, dass dies alles nicht echt sei, nicht wahr, aber wir haben damit keinen Einfluss auf ihn (wenn ich das aus heutiger Warte, mit dem Erfahrungswissen aus dem christlichen Kontext anschaue, dann muss ich sagen: eine eindrücklichere Beichte habe ich nie wieder erlebt). Er erfährt schliesslich vollkommene Vergebung, der Galgen bleibt leer (nicht lange danach wird Hanspeter alle seine Beziehungen zu den Drogen konsumierenden Freunden abbrechen, von Bern wegziehen und eine Ausbildung beginnen, die er mit Erfolg abschliesst und dann auch bis zur Pensionierung auf diesem Beruf gearbeitet hat).

   Ich sitze immer noch auf dem Sofa und sehe auf meine Füsse. Da lösen sich diese auf und ich sehe nur noch den Boden. Mein Blick geht langsam meinen Beinen entlang nach oben. Die Beine lösen sich auf, wo immer mein Blick hinfällt da ist kein Körper mehr. Der Rumpf, Brustkorb, Arme… nichts mehr da. Ich sehe in aller Deutlichkeit ein leeres Sofa, niemand sitzt darauf, mein Körper ist verschwunden.

   Nicht verschwunden ist aber das (Selbst-) Bewusstsein: ‚Ich’ bin immer noch da, körperlos. Das hält eine Weile so an (wie stets bei solchen Erfahrungen gibt es kein Zeitempfinden mehr).

   Dann sehe ich auf dem Teppich am Boden vor mir einen grossen Haufen Puzzleteile. Ich schaue sie mir etwas genauer an und erkenne, dass sie meinen Körper abbilden. Nun wird mir bewusst, dass ich dieses Puzzle zusammenzustellen habe, wenn ich wieder ‚ganz’ werden möchte. Ich weiss auch mit Bestimmtheit, dass, sollte auch nur ein Teil fehlen, dies erhebliche Schwierigkeiten für mich bedeuten würde, wenn nicht gar, dass ich sehr kaputt und unheil sein würde. Also mache ich mich daran das Puzzle zusammenzusetzen. Und es gelingt. Kein einziges Teil fehlt. Als ich das letzte Teil einfüge, ist mein Körper wieder sichtbar da, immer noch auf dem Sofa sitzend.

   Einige Zeit später besuche ich zusammen mit Adrian einen Vortrag an der Uni Bern von Dr. Detlef Kantowsky zum Thema ‚schamanisches Heilen in Urvölkern‘. Organisiert wurde dieser Vortrag von Mirko Frýba. Es geht vor allem um schamanische Methoden der Heilung von Psychosen und Schizophrenie, ein sehr spannendes Thema.

   Im Verlauf dieses Abends beschreibt Detlef Kantowsky auch eine afrikanische Zeremonie, in welcher aus einem Kandidaten ein Lehrling des schamanischen Medizinmannes wird – oder eben auch nicht. Der ganze Ablauf des (inneren) Erlebens ähnelt aufs Haar meinem Erleben unter LSD. Auch der Schamanenkandidat steht unter Drogen. Bei ihm sind es jedoch nicht Puzzleteile, die er zusammensetzen muss, sondern alle seine Knochen (was ich geneigt bin als einen kulturellen Unterschied zu sehen). Gelingt es ihm, sein Skelett zusammenzusetzen ohne dass ein Stück fehlt, dann ist er als Lehrling angenommen, wenn nicht, sucht der Schamane weiter nach einem Schüler.

   Ich sagte: ‚Einige Zeit später…’, das ist vielleicht nicht korrekt. Es kann sein, dass dieser Vortrag stattgefunden hat bevor ich das beschriebene Erlebnis unter LSD machte. Es ist mir nicht mehr möglich, die Reihenfolge mit Gewissheit zu bestimmen. Doch wie auch immer: Das Erleben hat sich mir tief eingeprägt als eine Erfahrung von Relativität bezüglich der ‚Wirklichkeit’ der Existenz. Nach solchen Erlebnissen, wie den hier beschriebenen, ist es kaum mehr möglich, an eine – und nur eine – feststehende objektive (psychenunabhängige) Realität zu glauben. Soviel also zum Thema ‚ekstatisches Erleben’.

Lysergsäurediethylamid
(Lied)

   Mirko Frýba schreibt dazu: „Ekstase enthält etwas von Grenzüberschreitung, Erhöhung des Lebensgefühls, Entzücken und Bewusstseinserweiterung. Im populären Verständnis verbindet man jedoch Ekstase auch mit Rausch, Überspanntheit, Erregung oder gar Wahn; in der Umgangssprache versteht man unter Ekstase, ‚wenn jemand ausgeflippt ist’. Alles in allem erscheint Ekstase als etwas ausserhalb der rationalen Kontrolle des Alltäglichen. Von einem engstirnigen Gesichtspunkt aus stimmen alle die herabwertenden Kennzeichnungen mit der Bedrohung überein, die die Ekstase für den Sachunkundigen darstellt. Aber man kann bei vielen Menschen auch ganz entgegengesetzte, genauso falsche Beurteilungen antreffen. Sie halten alles Ausgeflippte für gut, weil es gegen die heutzutage so ‚normale’ Abstumpfung und Langeweile wirkt. Ekstase heisst für sie: Kopf abschalten, alle rationalen Grundsätze über Bord werfen, sich verlieren, jede Vorsicht und jede Rücksicht aufgeben, sich selbst wie auch die anderen sentimental an irgendetwas ausliefern – ‚einfach ausflippen’. Dies alles hat jedoch nichts zu tun mit der genussvollen, erholsamen Schönheit der friedlichen Ekstase.“

   Diese friedliche Ekstase, die musste ich in der Folge erst noch richtig kennen- und schätzen lernen. Da Drogen hierzu völlig ungeeignet und zudem ein Spiel mit dem Feuer sind, habe ich nach einem Meditationsretreat 1981 (ausser Marihuana) nie mehr psychoaktive Substanzen zur Bewusstseinserweiterung verwendet, sondern mich intensiv der meditativen Geistesentfaltung zugewendet.


   „Als Lehrer sollte ein Krieger die Möglichkeit lehren, zu handeln, ohne zu glauben, ohne Belohnung zu erwarten – einfach drauflos zu handeln. Sein Erfolg als Lehrer hängt davon ab, wie gut er seine Schützlinge in dieser Hinsicht leitet.“

   „Um dem Schüler zu helfen, seine persönliche Geschichte auszulöschen, zeigt ihm der Krieger als Lehrer drei Techniken: wie man die Selbstgefälligkeit ablegt, wie man Verantwortung für seine Taten übernimmt und wie man den Tod als Ratgeber nutzt. Ohne die förderliche Wirkung dieser drei Techniken würde das Auslöschen der persönlichen Geschichte zu Wankelmut und Flüchtigkeit führen, zu unnötigen Zweifeln an sich selbst und den eigenen Taten.“

   „Ein Krieger bekennt sich zu seinem Schmerz, aber er schwelgt nicht darin. Die Stimmung eines Kriegers, der in das Unbekannte zieht, ist nicht Traurigkeit; im Gegenteil, er ist fröhlich, weil er sich durch sein Glück begnadet fühlt, weil er auf seinen makellosen Geist vertraut und vor allem, weil er sich seiner Tüchtigkeit bewusst ist. Die Fröhlichkeit eines Kriegers kommt aus der Annahme seines Schicksals und aus der ehrlichen Einschätzung dessen, was vor ihm liegt.“

   (Nagual)


   Die Droge die der langgliedrige Grüne mich einzunehmen geheissen hatte trug den Namen T-Raumzeit, sie wirkte augenblicklich. Weit entfernt lispelte, Friedrich Nietzsche zitierend, seine Stimmestimmestimme: „Unter friedlichen Umständen fällt der kriegerische Mensch über sich selber her.“

   Die Türe öffnete sich und ich trat ein. Das war nun also das Haus ‚Weekendweg 16‘. Die Adresse stand auf dem kleinen Zettel den ich gestern auf der Parkbank gefunden hatte. Ich läutete. Ein bleicher blondgelockter Jüngling öffnete und ohne Umstände hiess er mich eintreten. Dicke Rauchschwaden füllten den T-Raum, am Boden sassen drei Gestalten. Ich nahm Platz auf einem Kissen mit meinen Initialen. Eine schwere, schwarze Ebenholzpfeife wurde mir gereicht. Ich zog den Rauch tief in die Lungen und trat ein.

   Dicke Rauchschwaden füllten den Raum, am Boden sassen drei Gestalten. „Nimm Platz“, sagte der Kahlköpfige. Ich setzte mich auf das mit dem Zeichen ‚SV‘ verzierte Kissen und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Was hatte ich hier zu suchen?

   Wieder wurde mir die Pfeife gereicht, ich zog tief und trat ein. Dicke Rauchschwaden füllten den Raum, am Boden sassen drei Gestalten. Ich setzte mich. „Setz dich nur hin“, sagte der Alte, „ich bin der Nagual, ich bin deine Heimat, und du bist mein Erbe. Was willst du?“ fragte er. Ich wusste es „nicht…s“, stotterte ich. „Das ist gut“, sagte er, „du kannst bleiben.“

   Wieder wurde mir die Pfeife gereicht ich zog tief. Wir sassen auf einer saftig grünen Wiese mitten zwischen Pferden und assen die Pilze, die wir an eben der Stelle soeben gefunden hatten. Wir lachten. Er wird bald hier sein meinte die Königin der Nacht.

   Was trennt mich von dir Königin der Nacht? Die Zeit wird sich erfüllen, wie sie’s immer getan. Was trennt mich von dir Königin der Nacht? Ich komme!

   „Da kommt er ja schon!“ rief die Königin. Es erstaunte mich auf Menschen zu treffen. Sie winkten mir zu, ich begab mich zu ihnen. „Setz dich“, sagte das Mädchen. Ich setzte mich auf das offenbar mir zugedachte Kissen gegenüber dem Mädchen. Zu meiner linken sass ein kahlköpfiger Mann und zu meiner rechten sass ein Greis mit silbernem Haar und wallendem Bart.

   „Du hast uns also gefunden“, sagte der Alte. „Wir können beginnen“, sagte der Kahlköpfige. Die Königin lächelte.

   Was trennt mich von dir, Königin der Nacht? Zeit? Was trennt mich von dir, Königin der Nacht? Erfüllung? Was trennt mich von dir, Königin der Nacht?

   Ich komme!

   Die Königin lächelte.

   Der Alte war schön. „Hast du den Samen fallengelassen?“ fragte er mich. Ich begriff nicht. „Du musst den Samen fallen lassen, wenn du Blumen erblühen lassen willst.“ Der Alte ist schön, dachte – ich – konnte mich nicht konzentrieren. Was für einen Samen?

   „Es erblühen Stundenblumen daraus, schöne, schneeweisse Stundenblumen wenn du den Samen fallen lässt, schneeweisse Blumen, schöne, wunderschöne schneeweisse Totenblumen.“

   Die Königin weinte. Ganz still war er gestorben, der Alte, der Nagual. Der Kahlköpfige schaufelte das Grab, in das wir den Alten nun legten und ich begriff.

   Die Königin öffnete mein Herz und entnahm ihm den Samen. Schweigend gab sie ihn mir, den Samen, den Samen ‚Sehnsucht‘. Jetzt sah ich die Lehre des Nagual: Leer war mein Herz, den Samen ‚Sehn-Sucht‘ in Händen haltend, und gänzlich entleerte sich nun mein Geist, als ich den Samen auf sein Grab fallen liess.

   So birgt sein Grab Leben, so birgt der Tod Leben!

   Was trennt mich von dir?

   Eine dumpfe Stimme traf auf mein Ohr: „Könntest du nun auch nach Hause gehen, wir wollen schliessen!“

   Nach Hause… Totenblumen… ich hob den Kopf von der Tischplatte, bezahlte  den genossenen Wei(h)n und erhob mich diesen rauchgeschwängerten T-Raum zu verlassen. Ein bleicher blondgelockter Jüngling hielt mir die Türe auf und wünschte mir eine gute Nacht.

   Ich machte mich auf den Weg. Nach einigen hundert Metern bemerkte ich einen Begleiter. Ich schaute auf: Der Alte ging neben mir. Wir blieben stehen und schauten uns an. Er sprach:

   „Nicht gibt es einen Schöpfer für die Daseinselemente, doch keines von ihnen entsteht ursachlos“.

   Er schaute mich an, ich  wusste nichts zu erwidern.

   Er begann noch mal: „Du kamst nicht aus der Vergangenheit und gehst nicht in die Zukunft hinüber, nicht hast du Bestand in Vergangenheit oder Zukunft, es sei denn in verkehrten und unwirklichen Vorstellungen. Du bist ohne ein handelndes oder leidendes Prinzip, du bist wurzellos zu Beginn, Mitte, und Ende, du bist herrenlos nicht eigen und eigentumslos, du wirst ständig aufgestört durch das Eindringen solcher Diebe wie Wahnsinn, Furcht, und Verzweiflung, ständig ausgesetzt dem Fallen und Stürzen, der Gebrechlichkeit, der Auflösung und Vernichtung, und du bist eine Brutstätte von hunderttausend verschiedenen Krankheiten.“

   Endlich war ich zu Hause.

 

  „Ein Krieger braucht keine persönliche Geschichte. Eines Tages findet er, dass er sie nicht mehr braucht, und er wirft sie weg.“

   „Die persönliche Geschichte muss stets erneuert werden, indem man Eltern, Verwandten und Freunden alles erzählt, was man tut.

   Ein Krieger dagegen, der keine persönliche Geschichte hat, braucht keine Erklärungen zu geben; niemand ist böse oder enttäuscht über seine Taten. Und vor allem, niemand legt ihn mit Gedanken und Erwartungen fest.“

   (Nagual)


I trinke stiu es Tee


I luege nid Fernseh

I lose nid Radio

I lise ou ke Zytig meh

I trinke schtiu es Tee

 

Infos ohni Inhaut

Mache vor dir nid haut

Du füeusch di informiert

Aber wirsch agschmiert

 

Es wird viu z viu gloge

U viu z viu betroge

Es wird manipuliert

U ds Härz wird kaschtriert

 

I luege nümm Fernseh

I lose nümm Radio

I lise ou ke Zytig meh

I trinke schtiu es Tee

 

   Reden. Wozu schreiben über das Reden? Fragen: Wozu (m Teufel) bin ich hier? Wo keiner spricht und alle reden und fragen: Wozu? Warum? Weshalb? Wo denn? Wie denn? Wann denn reden? Und vor allem: Wozu reden wir denn alle und erzählen unseren Stuss und unser Zeug und wollen über unsere Probleme reden und machen jeden zu unserem Opfer der gerade wo-zu nahe steht und hören soll und muss.

   Reden, reden, reden: Sprachlos, weil rechte Sprache nie gelernt und echtes Sprechen längst verlernt.

   Wozu also reden wenn Gefühle sprachlos sind und Sprache gefühllos?

   Reden: Sprachlos fühlen und sofort ab aufs Schlachtfeld der Schlachtrufe: Gibs dem Gefühl! Wozu o Herr Verstand hast du Verstand?

   O Herrin Gefühl: Gibs dem Verstand, wozu hast du Gefühl? Lass ihn reden! Nur die Sprache des Gefühls ist echt!

   Wozu fühlen? Nur die Sprache des Intellekts ist recht! O fühle Verstand! Und verstehe Gefühl!

   Nicht reden hilft auch nicht: Fühlen bleibt im Gefühl und Verstehen ist im Verstand. Warum nicht Hand in Hand und Herz an Herz? Lerne zu verstehen das Gefühl und lerne zu fühlen das Verständnis ohne zu fragen: Wozu reden?

   Sprache lass reden. Gefühl lass fühlen. Sprache ist gut und Gefühle sind – gut –  ist wenn Gefühle sprechen und wenn Verstand fühlt – wozu wir –  hier sind –  wir um zu leben, zu sterben, zu lachen, zu weinen, zu lernen, zu vergessen, zu wissen, zu zweifeln, zu vertrauen, zu vermissen, zu leiden, und um zu reden wozu reden wozu reden wozu reden wozu reden wozu reden wozu reden wozu reden wozu reden wozu reden wo zu reden wo zu reden wozu reden wozu reden wozu…

   „Gebt euch nicht, ihr Übenden, den vielerlei niedrigen Gesprächen hin, wie Gesprächen über Fürsten, Räuber, Minister, Heere, Gefahren, Krieg, Essen und Trinken, Kleider und Lagerstätten, Blumenschmuck und Düfte, Verwandte, Wagen, Dörfer, Marktflecken, Städte und Länder, Weiber und Helden, Strassen- und Brunnengesprächen, Gesprächen über die Geister der Verstorbenen, Klatschereien, Gesprächen über Welt und Meer, über Gewinn und Verlust.“ 

   In den Kommentaren werden noch vier weitere ‚niedrige‘ Gespräche aufgezählt, so dass sich damit die Zahl von achtundzwanzig auf zweiunddreissig erhöht, nämlich: Gespräche über Sinnengenuss und Selbstkasteiung, Ewigkeit und Vernichtung.

   „Und warum sollt ihr euch diesen Gesprächen nicht hingeben? Weil diese Gespräche sinnlos sind, nicht dem urheiligen Wandel angemessen, und nicht zur Abwendung, Loslösung, Erlöschung führen, nicht zum Frieden, zur Durchschauung, Erleuchtung und zum Nirvana. Wollt ihr euch unterhalten, ihr Übenden, so sprechet darüber, was Leiden ist, was die Entstehung des Leidens ist, was die Erlöschung des Leidens ist, was der zur Erlöschung des Leidens führende Pfad ist. Und warum? Weil solches Gespräch sinnvoll ist, dem urheiligen Wandel angemessen, und zur Abwendung, Loslösung, Erlöschung führt, zum Frieden, zur Durchschauung, Erleuchtung und zum Nirvana.“ 

   (Buddha)

   „Wir reden unentwegt mit uns selbst über unsere Welt. Tatsächlich halten wir unsere Welt durch unsere innere Rede in Gang. Und wenn wir aufhören, mit uns selbst über uns und unsere Welt zu reden, ist die Welt noch immer, wie sie sein sollte. Wir erneuern sie, wir entflammen sie mit Leben, wir halten sie mit unserer inneren Rede in Gang. Nicht nur das, wir wählen auch unsere Wege, indem wir mit uns selbst reden. So wiederholen wir die gleichen Entscheidungen immer wieder bis zu dem Tag, da wir sterben, weil wir immer wieder die gleiche innere Rede führen, bis zum Tag unseres Todes. Ein Krieger ist sich dessen bewusst und strebt danach, seine innere Rede abzustellen.“ 

   „Der innere Dialog ist es, der uns Menschen in der Welt verankert. Die Welt ist so und so, nur weil wir uns vorsagen, dass sie so und so sei. Der Durchgang in die Welt der Schamanen öffnet sich erst, nachdem der Krieger gelernt hat, seinen inneren Dialog abzustellen. Unsere Vorstellung von der Welt zu ändern, das ist die Crux beim Schamanismus. Und das Abstellen des inneren Dialogs ist die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen. Wenn ein Krieger lernt, den inneren Dialog abzustellen, wird alles möglich; die ausgefallendsten Vorsätze werden durchführbar.“ 

   (Nagual)

   „Das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft. Der Buchstabe tötet, der Geist gibt Leben.“
   (Christus)

   „Möge ich den Sinn des Wortlosen lernen, sodass keine Sorge mehr besteht um Worte und Bücher.“
   (Nyanaponika)

   „Der Fehler an den Worten ist, dass sie uns glauben machen, wir seien erleuchtet, doch wenn wir uns umdrehen und die Welt anschauen, lassen sie uns stets im Stich und wir sehen schliesslich die Welt, wie wir sie immer gesehen haben, ohne Erleuchtung. Aus diesem Grund sucht ein Krieger lieber zu handeln als zu reden, und zu diesem Zweck übernimmt er eine neue Beschreibung der Welt – eine neue Beschreibung, wo Reden nicht so wichtig ist und neue Taten neue Betrachtungen nach sich ziehen.“ 

   „Wann immer der innere Dialog aufhört, bricht die Welt zusammen, und ausserordentliche Seiten unseres Selbst werden sichtbar, als wären sie von unseren Worten streng bewacht gewesen.“

   „Ihre Vernunft lässt die Menschen vergessen, dass die Beschreibung nur eine Beschreibung ist, und bevor sie es merken, sind sie mit der Ganzheit ihres Selbst in einem Teufelskreis gefangen, aus dem sie ihr Leben lang kaum mehr entrinnen werden.“

   „Menschen sind wahrnehmende Wesen, aber die Welt, die sie wahrnehmen, ist eine Illusion: eine Illusion, geschaffen durch die Beschreibung, die ihnen seit dem Augenblick der Geburt erzählt wurde. Im Grunde ist jene Welt, die sie mit ihrer Vernunft aufrechterhalten möchten, eine Welt, geschaffen durch eine Beschreibung und deren unumstössliche Regeln, die ihre Vernunft zu akzeptieren und zu verteidigen gelernt hat.“

   „Die Taktik der Schamanen ist die gleiche wie die Taktik gewöhnlicher Menschen. Beide haben eine Beschreibung der Welt. Der gewöhnliche Mensch erhält sie mit seiner Vernunft aufrecht; der Schamane hält sie mit seinem Wollen aufrecht. Beide Beschreibungen haben ihre Regeln; doch der Vorteil des Schamanen ist, dass das Wollen umfassender ist als die Vernunft.“
 
   (Nagual)

   Nur das, was das Leiden und die Erlöschung des Leidens betrifft, lehre ich, heute wie früher.“ 
   (Buddha)

   Und nur darum geht es auch in dem Buch, das du hier in deinen Händen hältst: Um das Leiden und um die (Leid-) Freiheit und darum, dass, wenn wir unser Wollen vollständig auf diese Aufgabe fokussieren, wir eine gänzlich neue und andere Sicht über uns selbst und über die Welt erleben können.


Ds Härz lääre


Ds Härz lääre
(Lied)


I singe das Lied

I singes für mi

U i singes ou chli für di

 

I nime ds Läbe

Immer wieder z schwär

U mache mis Härz itz läär

 

   Alles, was ich bis heute geschrieben und getan habe, zeugt letztlich von meiner Suche nach dem Schlüssel zum glücklichen Leben. Aber mir scheint je länger je mehr, dass es dazu vieler Schlüssel bedarf und dass sie alle gleichzeitig ins Schloss gesteckt und miteinander gedreht werden müssen. Eine ziemlich unübersichtliche und anspruchsvolle Sache.

   Die Wanderung durch Zeit und Raum. Alleine für immer. Ein Fremder auf Erden. Wo liegt die Heimat? Kinder… und die Wanderung geht weiter und weiter und weiter ohne Rast und Ruhe. Nur zwischendurch ein kurz Verweilen und immer gebunden an Raum und Zeit. Freiheit die ich meine: Zeit und Raum sind Vergangenheit oder verschmolzen zu dem einen. Und die Wanderung geht weiter.

   Die Welt zerfällt. Eine unendlich lange Zeit ist sie fest dagestanden, jetzt ist sie gefallen, die Mauer zerbröckelt. Nicht durch Stürme: Kein Unwetter da draussen konnte ihr etwas anhaben. Sie ist gefallen durch ihre eigene Kraft. Von innen heraus verfault, vermodert. Nicht durch Schwäche, nein: Durch die Kraft des Alters, durch die Kraft der Krankheit, durch die Kraft der Vergänglichkeit.

   Krankheit sei Schwäche? Schwäche ist Kraft! Bekämpfen unmöglich.

   Verstehst du nicht? Wenn du in den Kampf ziehst, hast du verloren, schon jetzt. Verteidigung existiert nicht. Sie ist Einbildung, ist eine Gedankenkonstruktion der Torheit. Es gibt keine Verteidigung. Verteidigung ist Angriff. Angriff ist dein Tod. Mit dem Gedanken schon tust du den Angriff und bist tot.

   Die Welt zerfällt. Wie ein in langer, konzentrierter Arbeit erstelltes Puzzle einer fröhlich spielenden Kinderhand nur bedarf, und das grossartige Bild fällt in seine Bestandteile auseinander. Dem Kinde gefällts: Tausend kleine Teilchen sind viel lustiger als ein riesengrosses!

   Das Kind wird älter, und eines Tages wird es die tausend kleinen Teilchen zu einem schönen, grossen Bilde zusammensetzen. Vielleicht werden es bis dahin nicht mehr tausend sein. Vielleicht noch neunhundertneunundneunzig. Oder nur noch neunhundertfünfzig. Es wird erst bemerken, dass einiges fehlt, wenn das Bild beinahe fertig ist.

   Vielleicht wird es zornig werden und das Bild vernichten. Zum zweiten Mal: Einmal im Spiel und einmal im Zorn.

   Und wieder wird die Welt zerfallen sein. Teilchen um Teilchen wird verloren gehen.

   Die Welt entsteht und zerfällt. Teil um Teil entschwindet auf ewig. Ist kein einzig Teilchen mehr vorhanden, dann wird sie geboren worden sein.

    Wie Glas wird sie sein, die neue Welt, die nicht wieder zerfällt, weil sie nicht aus Teilen besteht. Ungeboren existent: Nicht unsichtbar aber durchsichtig wie Glas, ohne die Bestandteile des Glases.

   Sichtbar in ihrer Durchsichtigkeit. Hörbar in ihrer Stille. Tastbar in ihrer Körperlosigkeit. Riechbar in ihrer Geruchlosigkeit. Schmeckbar in ihrer Geschmacklosigkeit. Denkbar in ihrer Undenkbarkeit.

   Formlos frei. Ewig zeitlos. Phänomenal selbstlos: Die neue Welt.

 

   „Es gibt eine Welt des Glücks, wo kein Unterschied zwischen den Dingen besteht, weil niemand da ist, um nach dem Unterschied zu fragen. Dies aber ist nicht die Welt der Menschen. Manche Menschen haben die Eitelkeit zu glauben, sie lebten in zwei Welten, aber das ist nur ihre Eitelkeit. Es gibt nur eine einzige Welt für uns. Wir sind Menschen und müssen mit der Welt der Menschen auskommen.“

   „Ein Krieger weiss, dass er nur ein Mensch ist. Er bedauert lediglich, dass sein Leben so kurz ist und dass er nicht all die Dinge festhalten kann, wie er möchte. Dies  aber ist kein Problem für ihn; es ist nur schade.“

   „Alles ist nur einer von Millionen von Wegen. Darum muss ein Krieger immer bedenken, dass ein Weg nur ein Weg ist; wenn er spürt, dass er ihn nicht beschreiten sollte, darf er ihm unter keinen Umständen folgen. Seine Entscheidung, diesen Weg weiterzugehen oder  ihn zu verlassen, muss frei sein von Furcht und Ehrgeiz. Er soll sich jeden Weg genau und aufmerksam ansehen. Dann kommt die Frage, die ein Krieger sich unbedingt stellen muss: Ist dies ein Weg mit Herz? Alle Wege sind gleich: sie führen nirgendwo hin. Doch ein Weg ohne Herz ist nie erfreulich. Ein Weg mit Herz dagegen ist leicht – der Krieger braucht sich nicht anzustrengen, ihn zu lieben; solch ein Weg gewährt eine fröhliche Reise. Solange der Mensch ihm folgt, ist er eins mit ihm.“

   „Ein Krieger wählt einen Weg mit Herz, jeden beliebigen Weg mit Herz, und folgt ihm; und dann frohlockt er und lacht. Er weiss, weil er sieht, dass sein Leben schon allzu bald vorbei sein wird. Er sieht, dass nichts wichtiger ist als alles andere.“

   „Weil nichts wichtiger ist als alles andere, wählt der Krieger irgendeine Tat und tut sie, als sei sie bedeutsam für ihn. Seine kontrollierte Torheit lässt ihn sagen, dass das, was er tut, bedeutsam ist, und lässt ihn handeln, als wäre es so, und doch weiss er, dass es nicht so ist; wenn er also seine Taten vollbringt, zieht er sich in Frieden zurück, und ob seine Taten gut oder schlecht waren, ob sie gelangen oder nicht, kümmert ihn nicht im mindesten.“

   „Wenn nichts sicher ist, bleiben wir wachsam, stets auf der Hut. Es ist spannender, nicht zu wissen, hinter welchem Busch sich der Hase versteckt, als so zu tun, als wüssten wir alles.“

   „Nur als Krieger kann man den Weg des Wissens ertragen. Ein Krieger darf nichts bereuen und nichts beklagen. Sein Leben ist eine endlose Herausforderung, und Herausforderungen sind niemals gut oder schlecht. Herausforderungen sind einfach Herausforderungen. Der grundlegende Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Menschen und einem Krieger ist, dass ein Krieger alles als Herausforderung annimmt, während ein gewöhnlicher Mensch alles als Segen oder Fluch hinnimmt.“

   (Nagual)


Em Läbe vertroue



Em Läbe vertroue

Em Läbe vergäh

D Wunde wos hett ghoue

D Schmärze wos hett gäh

 

Em Läbe vertroue

Heisst em Läbe vergäh

D Wunde wos hett ghoue

D Schmärze wos hett gäh

 

Es hett schöni Site u s git wüeschti Zyte

S git Schuld u Not u  nes Aberot

S git Geburt u Tod u nes Morgerot

Los u lue uf d Seelerueh

 

Em Läbe vertroue

Em Läbe vergäh

D Wunde wos hett ghoue

D Schmärze wos hett gäh

 

Em Läbe vertroue

Heisst em Läbe vergäh


   Dem Leben zu vertrauen, das bedeutet auch dem Leiden und dem Tod zu vertrauen. Wenn Leiden und Tod Angst machen, dann macht das Leben Angst, denn Leben heisst nicht nur ‚sex, sun and fun‘, sondern ganz existenziell auch Schmerz, Leiden, Verlust, Tod. Keiner vertraut dem Leben, der dem Sterben nicht vertrauen kann. Keiner vertraut dem Leben, der dem Leid misstraut. Dem Leben vertrauen bedeutet, dem Leben in seiner umfassenden Ganzheit, Licht und Finsternis, Freude und Leid, Geborenwerden und Sterben zu vertrauen, nicht bloss der einen Hälfte.

   Der sogenannte Optimist und der positive Denker vertrauen dem Leben nicht mehr, als der sogenannte Pessimist und der negative Denker. Das Leben ist positiv und negativ zugleich und berechtigt so gesehen zu Optimismus und zu Pessimismus gleichermassen. Der Optimist sieht seinen Lebensweg im Licht des Lebens, der Pessimist sieht ihn in der Dunkelheit des Todes.

   Ewigkinder praktizieren den mittleren Weg: die Überwindung solcher scheinbarer Gegensätze, das Erkennen der gegenseitigen Ergänzung in den Polen der Dualitäten. Die als Leben und Tod, als Geborenwerden und Sterben, als Freude und Leid aufscheinende Existenz berechtigt zu Optimismus und positivem Denken nicht mehr und nicht weniger als zu Pessimismus und negativem Denken. Deshalb besteht die Befreiung nicht in der Gewinnung des einen Pols zulasten des anderen, was gar nicht möglich ist, sondern in der Transzendenz beider Pole, das heisst im Übersteigen sowohl negativer als auch positiver Vorstellungen bezüglich des Lebens. Dem Leben vertrauen heisst, das Leben in seiner Ganzheit annehmen wie es ist.

   Verwundungen und Schmerzen sind unvermeidlich. Wo Leben ist, da wird Leben verwundet, und wo Leben verwundet wird, da wird Schmerz erlebt. Wenn du es nicht vermagst, dem Leben die Wunden, die es dir geschlagen und die Schmerzen, die es dir zugefügt hat, zu vergeben, dann kannst du niemals Vertrauen finden dem Leben und Sterben gegenüber. Die Vergebung zu finden fällt dir umso leichter, als du die Lebenswirklichkeit klar erkennst.

   Letztlich wird Vergebung sogar unnötig, weil Vergebung nur dort notwendig und sinnvoll ist, wo zuvor eine Anklage, eine Schuldzuweisung stattgefunden hat. Wenn du die Wirklichkeit des Seins, die Daseinsgesetze ‚Vergänglichkeit‘, ‚Leidunterworfenheit‘ und ‚Selbstlosigkeit‘ in aller Tiefe und Klarheit erlebnismässig erkannt hast, dann wird dein Herz, dein Geist, vollkommen frei sein von irgendeiner Anklage und Schuldzuweisung. Wenn die Wirklichkeit als Wirklichkeit erkannt und akzeptiert ist, dann gibt es nichts zu vergeben, weil nichts mehr schuldig gesprochen wird.

   Viel Schönes gibt es zu erleben, und was als Schönes erlebt wird, das ist so individuell wie es die erlebenden Menschen sind. Nur du selber weisst, was für dich die schönen Seiten des Lebens sind. Geniesse alles Schöne, dass du in den wenigen Jahren deiner Existenz erleben kannst. Geniesse es, was an Schönem auf dich zukommt, aber halte es nicht fest und jage ihm nicht nach. Wenn es kommt, lass es kommen, wenn es ist, lass es sein, wenn es vergeht, lass es gehen.

   Es gibt auch hässliche Zeiten. Das ist die andere Seite des Seins. Es ist die Seite, die du gerne verdrängst, die du lieber nicht erleben möchtest, von der du meinst, sie gehöre nicht zum Leben, habe nicht zum Leben zu gehören. Aber das Leben richtet sich nicht nach deinen Vorstellungen darüber, wie es sein sollte und wie nicht. Es ist wie es ist. Schön und hässlich.

   Schuldgefühle sind Selbstanklagen, Not ist das Nichteinverstandensein mit der Wirklichkeit wie sie ist. In der Selbstanklage nimmst du dich zu wichtig, ebenso im Nichteinverstandensein mit der Wahrheit. Die Wahrheit ist nichts anderes als die Wirklichkeit wie sie ist. Was wirklich ist, das ist auch wahr, eben weil es wirklich ist. Was nicht wirklich ist, das ist auch nicht wahr, eben weil es nicht wirklich ist. Wenn du dich schuldig fühlst für irgendetwas, dann machst du dich selber, ein für real gehaltenes ‚Ich‘, zum Herrn und Besitzer über dieses Etwas, zum Täter einer geschehenen Tat, während in Wirklichkeit die Tat in einem vielfältigen Bedingungszusammenhang wurzelt und von diesem ausgegangen ist, nicht von einem für wirklich gehaltenen unabhängigen ‚Ich‘.

   Der menschliche Wille ist nur bedingt frei, niemals unbedingt. Einen unbedingten freien Willen gibt es nicht. Du kannst Entscheidungen treffen im Rahmen der Voraussetzungen, die du mitbringst, mehr nicht. Es gibt viele Dinge, über die hast du keine Macht, die sind deinem Willen nicht zugänglich. Du kannst eine Tat, die durch dich geschehen ist, bereuen, und echte Reue heisst: Du tust es nicht wieder. Wenn du es wieder tust, dann war die Reue nicht tief genug. Klage nicht dich oder andere als Täter an, aber lerne die verschiedenen Taten kennen wie sie sind. Es gibt Schuld und Not und das Blut des Abendrots, das in Dunkelheit und Finsternis übergeht. Es gibt Wege entlang von Abgründen, und man kann auch in Abgründe hinunterfallen.

   Jede Dunkelheit weicht einem neuen Morgen, einem Morgen, der das Blut des Abendrots bereits in sich trägt und als Morgenrot verkündet (und umgekehrt): das ‚Rad der Zeit‘.

Lied:
Ds Rad vor Zyt

   Das klar erkannte Erleben der Daseinswirklichkeit ist es, das befreit und erlöst. Es befreit und erlöst von Illusionen, von Verblendung bezüglich des Seins, es befreit und erlöst dadurch von der Gier nach dem Sein und vom Hass auf das Sein.

   Sind die Illusionen, ist die Ignoranz bezüglich der Wirklichkeit erloschen, dann entsteht auch kein Begehren mehr nach irgendeinem Erleben, sei es profan weltlich oder überirdisch spirituell. Dann findet dein Leben nicht mehr in Erwartungen und Hoffnungen auf ein besseres Morgen oder auf ein besseres Leben nach dem Tod statt.  

   Du erkennst alles Leben als spirituell, das Spirituelle ist nicht mehr getrennt vom Alltäglichen. Deine Seele hat zur Ruhe gefunden, ist gestillt in der Wahrheit, in der Wirklichkeit wie sie ist. Du hast den Frieden der Seele, hast die Freiheit des Geistes gefunden.

   Wandle im Frieden. Du bist frei.


Läbes-Chraft

 

(frei nach Jimi Hendrix)

               

Läbeschraft i mir inn

Ds ganze Läbe macht itz Sinn

I bi so fröhlech u i weiss o warum

Ä ganze Tag wird zu eire Stung

 

Läbeschraft überau

Was si isch weiss ig ganz genau

Si git mir Muet u si macht mi froh

I bi nid tot nei i läbe no!

 

Läbeschraft rund um mi

Was morn wird si isch no gar nie gsi

Dunkli Nacht wird zum Tag

S isch aus klar es blibt ke Frag!

 

    Es isch eso ne Sach mit dere Läbes-Chraft: Mängisch hett me se, u mängisch überhoupt nid. U we me se nid hett u meint mi fingi se nie meh, de chunnt si plötzlech irgendwohär drhär, u we me de meint, itz heig me se, de isch si äbeso plötzlech wieder wäg. Das merkwürdige Verhaute vo dere Chraft isch scho immer wieder irritierend u verwirrend: Mi cha sich wou druf verlah, dass si immer wieder mau chunnt, muess aber ou geng drmit rächne, dass si eim wieder verlaht. Auso sorry, aber mängisch fingeni das würklech zum Chotze. So nes unzueverlässigs Lueder. Aber das muess ig dir itze hie verzeue, wie mir u minere Frou bir Unghürflue obem Wase d Läbes-Chraft begägnet isch.

   S hett mit em Fridu z tüe, däm Typ, woni geng öppe uf mine Wanderige dür ds Ämmitau begegnä. I bi n ihm denn aber scho monetelang weder nöime begägnet no hani ds Bedürfnis gschpürt ihn wöue z gseh. Die Sach mit däm Sri Lanka u däm Buddhismus, wo är mir z letscht Mau unger d Nase gribe hett, hett mi chli verwirrt gha u ig ha dänkt, dä Fridu sigi eifach scho afe echli ne verschrobene Sack.

   So bini de meh mit minere Frou gah wandere, u d Lu isch langsam aber sicher ou meh u meh ufe Gschmack cho. D Natur hett si eh scho immer gliebt, u so hei mir du usegfunge, dass mir da mit däm Wandere i üser Region ja eigentlech es gmeinsams Inträsse hei, u dass das ou ganz schön cha si, eso zäme über d Höger ungerwägs z si. Vor auem we mirs schaffe, zwüschiche ou mau e längeri Zyt, so e Haubschtung oder ou e Schtung lang, eifach schwigend zäme ungerwägs z si.

   U so isch es cho, dass d Lu u ig ei Sunntig zäme dr Hambu uf über ds Vorderarni gwanderet si. Im Sinn hei mir gha dr Chehr z mache, wo nig au Jahr mehrmaus mache, u ou für d Lu isch es nid z erschte Mau gsi, nämlech dr Rundwäg über d Lushütte u de vo dert, je nachdäm was üs de dert obe gäd gluschtet, entweder rächts gäge Lüderenaup oder de links gäge d Ahornaup u vo dert jewile de zrügg ufe Wase. Beides si herrlichi Wanderige, wo mir beidi gniesse. Was me ou sött, wies üs düecht, solang eim d Bei no möge trage, s cha ja plötzlech uf ei Schlag verbi si mit dr Beweglichkeit i üsem Auter, was mir mi chürzlech Härzinfarkt dütlech gnue z verschtah hett gäh.  

   Äbe, u de si mir de nachem Vorderarni zu däm Hüttli mit dere schöne Brätlischteu cho, weisch, dert bir Unghürflue, u dert si mir de afe chli häreghöcklet für nes erschts Pöiseli z mache. Hei üse Tee füregnoh u paar Schlück trunke u es isch üs eifach füdlewou gsi.

   U de ghöre mir wo witem zwöi Schtimme, es si offebar no angeri Wanderer ungerwägs. Kes Wunger a däm schöne Tag u de ersch  no amene Sunntig. Die Schtimme chöme necher, si chöme vo obe här, düre Waud ab, u plötzlech faht die einti Schtimm, s isch e männlechi, lut afa singe, u mir verschtöh jedes Wort: „Läbes-Chraft i mir inn, ds ganze Läbe macht itz Sinn! I bi so fröhlech u i weiss o warum, ä ganze Tag wird zu eire Schtung!“

   D Lu u ig luege änang a u ig säge totau überrascht: „Lu! Das Lied kenne nig, u du nämlech kennsch es ou! Die Melodie u dä Gruuf! Das isch doch vom Jimi Hendrix, dr Song Pörpl Heis!“

   „Du hesch rächt, Üelu! Das isch es! Aber dr Jimi hett doch nid bärndütsch gsunge, Üelu!“      

   „Nei, klar nid, Lu, dä wo da singt, hett äuä dä Tägscht vom Jimi i ds Bärndütsche übersetzt, tönt aber kuul!“

   Langsam chunnt die Schtimm nächer u dr fröhlech Sänger tuet itze ohni Wort, nume mit Tön, dr Inschtumentau-Tiu singe, wo dert bim Jimi zwüsche de Värse chunnt. Plötzlech verschtummt sini Schtimm, drfür ghöre mir itze e Froueschtimm, wo die zwöiti Schtrophe afaht singe: „Läbes-Chraft überau! Was si isch weiss ig ganz genau! Si git mir Muet u si macht mi froh! I bi nid tot nei i läbe no!“

   U wieder chunnt dr Inschtrumentau-Tiu, wo itze vo beidne Schtimme zäme, dr männleche u dr wybliche, ertönt u när geits gäd witer zur dritte u letschte Schtrophe, u die beide singe us vouer Seeu: “Läbes-Chraft rund um mi! Was morn wird si isch no gar nie gsi! Dunkli Nacht wird zum Tag! S isch aus klar, es blibt ke Frag!“

   „Läck Bobby!“ säge nig, „Das isch de kuul, we me so zäme cha singe!“

   „Ja, Üelu, da hesch gwüss rächt!“ seit mini Frou, „Aber lue mau wär das isch!“

   I bi paff: Dr Fridu u sis Käthi chöme da händchenhautend u luut singend düre Waud ab! Vom Fridu hani ja gwüsst, dass är e Fän isch vo de Siebezgerjahr, u dass är dr Hendrix kennt, aber ds Käthi! Das hätt ig itze nie erwartet, dass ds Käthi e Song vom Jimi Hendrix chönnti u würdi singe! Ig ha geng däicht, das heiges äuä me so mit Schlager, weisch, so mit dr Francine Jordi oder „Ewigi Liebe“ oder settigs. So chame sich tüüsche!

   Dr Fridu u ds Käthi si inzwüsche bi üs acho u si säuber ganz erschtuunt u erfröit üs hie azträffe. Es git intensivi Umarmige u auersits Küssli links u rächts! Weisch vor dr Grippe hei mir ke Angscht. Sorry, nach längerer Zyt geit mir doch tatsächlich, ig weiss nid warum, das Grippe-Thema wieder einisch düre Gring. U itz hocke ds Käthi u dr Fridu bi üs ab u finge, si chönnte eigentlech hie gäd ihres Zvieri näh. „Znüni näh! Znüni näh!“ macht dr Fridu dr Endo Anaconda nache, weisch, dä vom Schtiue Haas, kennsch sicher, das Lied. „Witzbole!“ seit d Lu, u mir lache aui vo Härze.

   „He Fridu“, frage nig, „gäu, das isch d Übersetzig gsi vom Pörpl Heis vom Hendrix, wohär hesch die?“

   „Gwüss!“ seit dr Fridu, „Di hani ds Sri Lanka im Urwaud gmacht, im Uddawattakele-Forscht, dä gränzt gäd a d Schtadt Kändy. E henne schöne Waud, u zmitts drinn isch e Waudeisidelei vo buddhistische Mönche. Ig bi de dert gah achlopfe u ha de mit däm Mönch dert, s isch no nid so ne aute gsi, es längs Gspräch gha. U woni de düre Waud zrügg zur Schtadt gloffe bi, hani plötzlech dä Hendrix Song im Gring gha, u ha probiert dä uf Bärndütsch z singe. U du gsesch: Es geit!“

   „Ja, u wie!“ wirft d Lu i, „super hett das tönt, wo dir da dr Hoger ab sit cho, ds Käthi u du!“

   Ds Käthi erkärt de no, das „Pörpl Heis“ ja natürlech nid würklech „Läbes-Chraft“ heissi, aber äs heigi am Fridu, wo när ihm das Lied däheime vorgsunge heigi, gseit, mi chönnti doch us däm Pörpl Heis, wo ja e Droge sigi, nämlech en LSD-Trip, öppis schleuers mache, u so sige si de zäme uf Läbes-Chraft cho.

   Mir geit da gäd em Fridu sis Tablettli-Erläbnis a dere Goa-Party im Äntlibuech düre Chopf, wo n är mir z letscht Mau wo mir üs troffe hei, verzeut hett, u i frage mi, öb är das äch am Käthi denn überhoupt verzeut heigi, u wiu ig nid sicher bi säge ni itze nüt drvo, u säge am Käthi: „Da hesch du vou rächt, Käthi! Läbes-Chraft isch super! Vo dere läbe mir ja äbe schliesslich aui!“

   Dr Fridu blinzlet mir heimlich verschmitzt zue u seit: „Ja, genau! U weisch, wo ds Käthi das gseit hett gha däheime, dass mir öppis angers chönnte besinge aus e Droge, da hett mir das sofort iglüüchtet! Äuä nid z letscht wiu ig denn ds Kändy im Urwaud mit däm Mönch ou über auerlei settigi Themä gredt ha, u är hett mir de gseit, dass dr Buddha Beruuschig u Betöibig nid gäd bsungers positiv beurteilt heigi, u dass es viu gschider sigi, e wache Geischt z ha. Bewusstsinserwiterig, weisch! Aber äbe ohni Droge!“

   Das finge nig ja säuber ou scho lang, drum hani nach mine wiude Zyte z Bärn uf dr Gass de irgendeinisch ou ufghört mit dene Sache. S isch mir aber ersch hie im Ämmitau würklech glunge, u ou hie ersch ume Jahrtuusigwächsu ume. Es si aber itze doch scho bau drissg Jahr, isch emu nid schlächt, oder was däichsch du aus mi Läser?

   „Fridu“, fragt itze d Lu nache, „wie tüe de die Buddhischte ihres Bewusstsi erwitere?“ „Da chönnti me itz lang drüber rede u philosophiere“, antwortet dr Fridu. Aha, däiche nig, dr Fridu isch äbe doch e Philosoph! Dr Fridu seit witer: „Churz gseit: Schtiui u Presänz mit Härz isch ihres Rezäpt.“

   Ig chüschele er Lu i ds Ohr, si söugi itze nümme witerfrage, wiu mir süsch plötzlech e stundelängi philosophischi oder schpirituelli Predig müessi alose vom Fridu, u das mög ig itze gäd nid.

   „Isch mir ou rächt“, chüschelet mir d Lu zrügg u antwortet em Fridu knapp: „Das tönt ja spannend, Fridu! Vilech chöi mir über das ja de es angersmau zäme rede. Itze würd ig gärn eifach echli schtiu si u d Natur gniesse. Loset doch mau das Ruusche vom Wind u d Schtimme vo de Vögu, u ds Plätscherlä vom Wasser wo da vore i ds Bründli fliesst!“

   U das mache mir de würklech veiechli lang, aui vieri, u ig finges schön, we das müglech isch, mit paar Lüt zäme eifach schwigend i dr Gägewart vom Läbe z si, so dass sich jedes ruehig sim eigete Erläbe cha zuwände, em innere u am üssere!

   Irgendeinisch de seit d Lu liisli: „Läbes-Chraft isch es heiligs Füür!“ U aui zäme beschtätige: „Läbes-Chraft isch es Füür!“ U ds Käthi seit: „Las la brönne!“

   U wieder schwige mir aui u si ganz versunke i d Natur u i üs säuber, u es isch eifach schön.  

   Irgendwenn seit dr Fridu: „Das isch Meditation.“ U wieder isch es schtiu.

   Sicher e gueti Schtung lang si mir vier de eso zämeghöcklet, bis mir üs schliesslich vonenang verabschidet hei. Dr Fridu u ds Käthi si z dürab über ds Vorderarni ufe Wase abe gloffe, u d Lu u ig hei du glich no witers wöue zur Lushütte. Dert si mir i dr Aupwirtschaft no eis gah zieh, u si de när nümme über d Lüdere u ou nid über ds Ahorn, sondern dr glich Wäg zrügg wie mir cho si.

   Irgendeinisch ungerwägs seit de d Lu zu mir: „Du Üelu, di Kolleg, dr Fridu, u ou sini Frou, ds Käthi, das si igentlech zwöi ganz feini Mönsche.“ „Das isch wahr, Lu“, säge nig, „bi säuber immer wieder uf ds Nöie überrascht.“

   U mir louffe gmütlech u im grosse u ganze fasch schwigend gäge Wase abe.

   Ungerwägs bir Hambüeuegg hocke mir no mau churz umfeme Bänkli ab, u dert chüschelet mir d Lu liisli u sanft i ds Ohr: „La dis Füür la brönne!“

   Ig chüschele spontan äbeso liisli, u wie mi düecht ou äbeso sanft, zrügg i ds Ohr vo minere Frou, wo nig itze gäd huere gärn ha: „Dis Füür vom Läbe!“

   U zäme rüefe mir lut, wie we mirs abgmacht hätte, u wie us eim Muu enang zue: „Läb nid vergäbe!“

   Es tuet ja immer guet, so ne Wanderig i dr Natur, hie über üsi Höger i, u ig chume jedes Mau erhout u entschpannt vo dene Wanderige hei, ersch rächt, wes ganz längi gsi si, so dr ganz Tag. Aber äuä no nie, so hani itze z Gfüeu, hani eso ne tiefe Friede i mir empfunge, u so nes töifs Vertroue i ds Läbe. U nid z lescht i mini Frou. U i mini Fründe.

Läbes-Chraft
(Lied)


   „Die Kraft bietet dem Krieger immer das Quäntchen einer Chance. Es ist die Kunst des Kriegers, immer beweglich zu sein, um es aufzusammeln.“

   „Als Faustregel soll ein Krieger seine Entscheidungen so sorgfältig treffen, dass nichts, was aus ihnen folgen mag, ihn überraschen, geschweige denn seine Kraft erschöpfen kann.“

   „Ein Krieger darf niemals etwas dem Zufall überlassen. Tatsächlich beeinflusst er den Gang der Ereignisse durch die Kraft seines Bewusstseins und durch sein unbeugsames Wollen.“

   „Der Kampf findet hier statt, auf dieser Erde. Wir sind nur Menschen. Wer weiss, was uns erwartet oder welche Kraft wir haben können?“

   „Jeder hat genügend persönliche Kraft für irgendetwas. Es ist die List des Kriegers, seine persönliche Kraft von seinen Schwächen abzuziehen und auf sein Krieger-Ziel zu lenken.“

   „Wenn man nichts zu verlieren hat, wird man mutig. Zaghaft sind wir nur, wenn es etwas gibt, woran wir uns noch klammern können.“

   (Nagual)